Altertümliche Wörter unserer ländlichen Mundart erklärt

"nächdn":

Das kleine Umstandswort der Zeit hat nach Grimms Wörterbuch ursprünglich den Sinn von vergangene Nacht. Dann aber hat es die Bedeutung von gestern Abend, schließlich von vorgestern angenommen. In unserer ländlichen Mundart hat es die Bedeutung von gestern Abend, etwa vom Abendessen bis Mitternacht. "Nächdn hadd’s awer geblitzd unn gedunnerd."

"Kehreule":

"Jule, brengst heide aus Ruchlz fun Seelr enne naue Kehreule midde!"

Die Kehreule, die die Jule aus Rochlitz beim Seiler besorgen sollte, ist der Kehrbesen aus Borsten mit langem Stiel. Während der Rutenbesen die grobe Kehrarbeit in Hof und Hausflur leistete, diente die Kehreule zum Stubenfegen. Sie ist also der Besen zum feineren Gebrauche. Das Wörterbuch von Grimm erwähnt besonders die Verwendung zum Abkehren der Zimmerdecke. Dort steht auch, dass dieser Besen rund und einem Eulenkopfe gleich sei.

"Maugche":

"Ich muss ma in meine Maugche gien."

Die Maugche ist übereinstimmend in unserer ländlichen Mundart das Versteck von Obst und Geld. In Schlesien bedeutet das Wort den heimlichen Ort, wohin die Kinder ihre Naschereien verstecken. Nicht unmöglich, dass unser Wort mit "meucheln" oder "mauscheln" (heimlich zu Werke gehen) verwandt ist.

"Me" oder "mech":

"Me" oder "mech" wird als Einschiebsel bei der Wiedergabe einer fremden Aussage benutzt, wodurch der Erzähler ausdrücken will, dass es nicht seine Beobachtung oder sein Urteil ist, was er äußert. Da es sich in vielen Fällen um nicht ganz Einwandfreies handelt, gewinnt man den Eindruck, als ob durch die Einschiebsel me oder mech die Verantwortung für die Zuverlässigkeit vom Erzähler abgelehnt wird. Er sichert sich für den Fall, dass man ihn verantwortlich machen will:

"Dar sull mech in dr Lutterie gewunn hunn."

"Dar sull mech lange Fingr gemachd hunn."

Mech bedeutet also: Meine (oder sage) ich.

"zängst"

"Wenn Se ze Schlimbersch wulln, gehn Se de Gass immer zängst’n Dinge nunner !" So ähnlich muss vor vielen Jahren die Antwort geklungen haben, wenn jemand an der Kreuzung der Gasse mit der Wittgensdorfer Straße nach der Familie Schlimper gefragt hat. Der Fragende sollte also immer längs der Gasse gehen und immer in der gleichen Richtung, um zu seinem Ziel zu kommen.

Mit dem Wort "zängst" wird die Reihe der sterbenden Wörter unserer ländlichen Mundart vorerst beendet.

Schon weil die genannten Wörter unserer ländlichen Mundart Heimatgewächs, zu großem Teile uraltes geistiges Gut unserer Vorväter sind, sollte sich niemand geringschätzig oder gar verächtlich von ihnen abwenden. Interessant sind die alten Verbreitungsgebiete, wie sie Grimm nach den schriftlichen Quellen festgestellt hat. So ist "hinde" vorwiegend in Mitteldeutschland vertreten: "Thüringen, Meißen (unser heutiges Sachsen), Schlesien". Die Nebenform "heint" weist nach Hessen und Franken. "Kehreule" war nach Grimm in Thüringen und Sachsen verbreitet. "Maugche" in Schlesien und Sachsen, an Rhein und im Taunus, im Schwäbischen und Alemannischen (1771 in Straßburg belegt). Bis zu den Rheinmündungen hinunter geht das Wort, wenn es dort auch in niederfränkischer Mundart erklingt. "Nächdn" ist ein in Thüringen und Hessen nach dem Rheine hin sowie nach Süddeutschland hinauf geläufiges Wort. "Mech" und "zängst" sind vermutlich auf unser mitteldeutsches Teilgebiet beschränkt. Unsere Wörter weisen also hauptsächlich nach Westen und Südwesten, weisen in altes, urdeutsches Land, das nie, wie unsere Gegend einmal von Slawen besiedelt gewesen ist. Von dort sind sie gekommen, die kräftigen Bauernsöhne Thüringens, Hessens, Frankens, aus dem Rheingebiete und aus Schwaben, um das schöne Ostland an Mulde und Chemnitz zu kolonisieren. Auch, wenn kein Mund von damals es mehr sagen, keine Urkunde es melden kann, die uralten Wörter können uns den Weg in die Heimat unserer Vorväter zeigen.