Der Gregoriusumgang - der Beginn unserer Schulfesttradition

Der oben erwähnten, sehr alten und längst vergessenen Sitte des Gregoriusumganges sei hier noch im besonderen gedacht. Ich folge hierbei den Ausführungen eines alten Dorfschulmeisters, dessen Beschreibung des Umganges wohl für alle sächsischen Dörfer Gültigkeit haben dürfte.

Das Gregoriusfest, ein Schulfest zu Ehren Papst Gregor I., dem Schutzheiligen der Schuljugend, wurde schon im frühen Mittelalter gefeiert. Es fiel stets auf den 12. März, dem Tage des Heiligen. Bei dem späteren Schulumgang kam man indessen von diesem Tage ab und verlegte die Feier auf einen beliebigen, schönen Frühlingstag kurz nach Ostern. Es nahmen nur die älteren Kinder, welche alle festlich gekleidet waren, und in Begleitung des Lehrers erschienen, teil. Vorher hatte der Lehrer einige Lieder und Arien eingeübt, von denen dann immer einige in den jeweiligen Gehöften gesungen wurden. Die Mädchen trugen bei dieser Zeremonie Stäbe, auf welchen kleine Kränze und Papierschleifen befestigt waren. Von den Knaben hatten sich viele Naturholzstöcke besorgt, die durch Herausheben der Rinde mannigfache Figuren zeigten. Manche schlangen sich auch Papierschärpen um den Leib. Allen voran ging der sogenannte Eierjunge, besonders gekennzeichnet durch einen um den Hals geschlungenen roten Gurt, an welchem ein Korb hing. Im Hofe eines Bauerngutes angekommen, sang der Chor einige Lieder, worauf die Kinder zurücktraten. Nur der Lehrer mit dem Eierjungen blieb und trat zur Tür des Hauses, wo ihm ein Geldgeschenk gereicht wurde. Kirchschullehrer konnten einen guten Groschen fordern, Kinderlehrer oder Katecheten jedoch nur einen Sechser. Nachdem dies geschehen war, trat der Eierjunge vor und bat um einige Eier. Die gütige Hausfrau gab sie ihm, dafür beschenkte nun der Junge, falls kleine Kinder zu der Bäuerin traten, diese aus Erkenntlichkeit mit mehreren Bildern, die aus Bilderbogen geschnitten, in reicher Auswahl im Eierkorbe hingen. So ging es von Hof zu Hof, aber nicht überall ließ man den Schülerchor hinein. Geizige verschlossen das Tor, so dass die gekränkten Kinder in ihrem Ärger mitunter Steine aufhoben und sie nach der Tür des Hartherzigen warfen. Es gab natürlich auch Leute, die freiwillig mehr gaben, ja den Lehrer samt Kindern ins Haus nötigten, um sie dort mit Kaffee und Kuchen zu bewirten. War nun das ganze Dorf abgegangen und kam der Abend heran, so begaben sich die Kinder ins Dorfwirtshaus, wo ihnen dann ihr Lohn winkte. Der Wirtin oblag es nun, die gesammelten Eier der Kinder auf Butter, die so nebenher noch abgesprungen war, zu backen und der hungrigen Schar einen rechten Abendschmaus zu bereiten. Inzwischen hatten sich auf Bestellung einige Dorfmusikanten eingefunden, so dass nach dem Essen gleich der Tanz beginnen konnte. Nachdem die Schuljugend in vorgerückter Stunde sich heim begab, setzten Erwachsene die Lustbarkeit bis gegen Mitternacht fort. Der Gregoriusumgang war freilich eine des Lehrers unwürdige Bettelei, doch verbarg sich in der Sitte der Rest eines uralten Festes. Für das sehr eintönige ländliche Leben damaliger Zeit bedeutete der Singumgang jedesmal ein Ereignis, dem man gerne entgegen sah. In Köthensdorf erstarb der alte Brauch im Jahre 1841.

War die Volksschule in ihrem Anfangsstadium nur Werkstätte der christlichen Kirche, so trat allmählich im 18. Jahrhundert ein Umschwung ein, der die Schule auch in den Dienst des praktischen Lebens stellte. Viele einsichtsvolle Männer waren sich darin einig, dass Volksbildung eine sehr notwendige Sache sei, dass nur hierdurch der Staat treue Untertanen erhalte, dass sich nur durch Kenntnisse Handel und Wandel heben könne, und dass überhaupt der sittliche und moralische Aufstieg des Volkes nur durch gute Schulbildung gewährleistet sein kann. Mancherlei Gründe waren maßgebend, um auch in eingepfarrten Dörfern Schulen entstehen zu lassen. Einmal war es der meist weite Weg zur Kirchschule, zumal für die Kleinen. Dann fehlte es ärmeren Kindern zur Winterszeit an warmen Kleidern und Schuhwerk. Dazu kam noch, dass die Kirchschule überfüllt war, und endlich gab auch Unzufriedenheit mit dem Lehrer den Ausschlag zur Schaffung einer eigenen Lehranstalt. So machte sich verhältnismäßig früh, neben vielen anderen Ortschaften, auch unser Dorf daran, einen sogenannten Kinderlehrer oder Katecheten anzustellen. Diese letzteren waren nun freilich nur Lehrkräfte zweiter Klasse und nur wenig oder gar nicht für ihren Beruf vorgebildet. Es wird berichtet, dass Leineweber, Tuchmacher, Schneider, Barbiere und andere, die sich einige Kenntnisse auf irgend eine Art angeeignet hatten, als Kinderlehrer von den Gemeinden angenommen wurden. Bedingung für die Anstellung war die bestandene Prüfung zunächst beim Pfarrer, dann beim Superindententen. In sogenannten "Winkelschulen" stellten die Bauern auch Lehrer an, ganz nach Gutdünken, ohne irgend eine Behörde auch nur in Kenntnis zu setzen. Der erste für Köthensdorf nachweisbare Lehrer ist Peter Schubert, welcher bereits im Jahr 1722 unterrichtete. Ein Schulhaus gab es zu jener Zeit im hiesigen Ort noch nicht. Es bestand vermutlich die sogenannte Reihenschule. Das heißt, der Unterricht erfolgte bei den Bauern in der Wohnstube der Reihe nach. Man kann sich denken, wie schwer die Kinder unter solchen Umständen zur Aufmerksamkeit zu bringen waren, da ja fortwährend durch häusliche Verrichtungen Störungen eintreten mussten. Es war dann immerhin ein Fortschritt, als Köthensdorf im Jahre 1733 Adam Heinrich Gottlebe als Lehrer gewann, der den Unterricht bis 1749 im eigenen Hause erteilen konnte. Fünf Jahre nach seinem Antritt erbaute Gottlebe das Haus Gasse 1, das später zum Doppelhaus ausgebaut wurde. Es zeugt vom fortschrittlichen Geist in Köthensdorf maßgebender Kräfte, dass bereits 1750 ein eigenes Schulgebäude geplant wurde. Diese Absicht fällt zusammen mit der von Limbach übergreifenden Entwicklung des Strumpfwirkerhandwerkes. Das Schulhaus von 1750 wurde als einfacher Lehmbau an der Gartenecke des eingegangenen Otto’schen Gutes erbaut. An seiner Stelle steht heute das 1999 rekonstruierte Haus Köthensdorfer Hauptstraße 36. Das erste Köthensdorfer Schulhaus hatte eine Schulstube, in der die Kinder in "zwei Häuflein", so bezeichnete man seit Alters her die Klassen, von einem Kinderlehrer unterrichtet werden sollten. Sollten! Denn sicher aus einer Zwangslage heraus nutzte man bis 1805 das Haus nicht als Schule, sondern als Armenhaus. Johann Daniel Helmuth, der das Lehreramt 1749 von Gottlebe übernahm und bis 1805 wirkte, konnte das umfunktionierte Schulhaus somit gar nicht nutzen.

Erst Johann Welker, der Helmuth 1803 abgelöst hatte, konnte 1805 das geräumte Haus als Schule nutzen. Sicher hat das 1805 erlassene Gesetz, das die allgemeine Schulpflicht vorsah, den Anstoß dazu gegeben, das bisherige Armenhaus zu Schulzwecken freizugeben. Vorher stand der Schulbesuch vollkommen im Ermessen der Eltern. Es gab Kinder, die an keinem Unterricht teilnahmen. Es waren wohl die Ärmsten, deren Eltern das Schulgeld nicht aufbringen konnten, und die von früher Kindheit an mit ihrer Arbeit zuverdienen mussten. Andere besuchten die Schule unregelmäßig, meist nur im Winter, wenn sie nicht in der Landwirtschaft mithelfen mussten. Aus diesen Gründen fand oft längere Zeit keine Unterweisung statt.

Johann Welker war Strumpfwirkermeister und wurde 1785 bei der Gründung der Limbacher Strumpfwirkerinnung zum Innungsschreiber gewählt, da er ein Meister der Schreibkunst gewesen sein soll. Diese Begabung hat ihn sicher später dazu veranlasst, sich um die Köthensdorfer Lehrerstelle zu bewerben. Ob sich dieser Wechsel ausgezahlt hat, ist zweifelhaft, denn er wurde im Alter sehr geringschätzig behandelt. Seine Altersversorgung betrug "pro Woche 16 Groschen aus der Armenkasse. Er hat auch freie Wohnung und man will ihm, wenn er zum Winter noch leben sollte, notdürftige Feuerung geben." Johann Welker starb als sehr armer Mann.

Der Leineweber und Hausbesitzer Christian Friedrich Irmscher folgte als Lehrer. Mit dessen Tätigkeit, die bis 1826 währte, ging auch die Funktion des ersten Schulhauses zu Ende. Durch die eingeführte Schulpflicht gab es zu jener Zeit bereits 100 Köthensdorfer Schüler. Das alte Haus genügte diesen Anforderungen nicht mehr, wurde an Johann David Ahnert verkauft und 1827 von diesem abgebrochen. Ahnert baute es jedoch in der alten Form wieder auf und zwar auf dem Platze, wo sich einst das alte Kühnert’sche Haus befand. Für einige 30 Thaler hatte Ahnert auch dieses alte Lehmhaus erworben, trug es ab und errichtete dort als Wohnhaus die frühere Schule (heute Köthensdorfer Hauptstraße 41).

1826 kam August Friedrich Leunert aus Flöha als Lehrer nach Köthensdorf. Dieser besaß nun bessere Vorbildung als seine Vorgänger, denn er hatte das Lyzeum zu Chemnitz besucht. Leunert hatte bereits in Wittgensdorf amtiert. Unter ihm wurde ein neues Schulhaus errichtet, das für ungefähr 100 Schüler Raum bot. Das Schulhaus von 1827 wurde an gleicher Stelle errichtet, wo das vorherige abgerissen worden war (Köthensdorfer Hauptstraße 36). Es hatte auch nur ein Klassenzimmer. Es gab ja nur einen Lehrer und an die Notwendigkeit, einmal einen zweiten anzustellen, dachte niemand. Die hundert Kinder wurden in zwei Klassen im zeitlichen Wechsel unterrichtet. Der Bau kostete damals 850 Thaler und war, obwohl die Lehrerwohnung mit eingebaut wurde, den Anforderungen der Gegenwart gemessen, sehr einfach. Es war ein Fachwerkbau mit rotem Ziegeldach. Es gab keinen Keller. Im Hof stand ein Brunnentrog, der mit Röhrwasser gespeist wurde. 1852 musste der Brunnentrog erneuert werden. Der Müller Ulbricht aus der Köthensdorfer Mühle baute diesen Trog aus Eichenholz, der noch später durch ein steinernes Becken ersetzt wurde. An beiden Hausgiebelseiten gab es einen Gemüsegarten. Beim Ausbau der Dorfstraße 1859 musste der an der Südseite angelegte Garten jedoch zurückgenommen werden. Der freie Platz vor der Schule diente den Kindern zum Spielen, auf ihm stand die Dorflinde. Im August 1852 wurden umfangreiche Reparaturen am Schulhaus notwendig. Ein Hagelschlag hatte Fensterscheiben zertrümmert, das Ziegeldach musste ausgebessert werden, und der Zimmermann Weigel richtete die Wandtafeln wieder her. 1955 wurde die Schulstube renoviert und das Gewölbe erhielt Dielung. 1850 gab es schon 170 Schulkinder, die immer noch von einem Lehrer betreut wurden. Es mussten jedoch noch 20 Jahre vergehen, ehe das Schulraumproblem gelöst werden konnte. Das Schulhaus von 1827 ist eng mit der Persönlichkeit des Lehrers August Friedrich Leunert verbunden. Von den 45 Jahren, die das Haus als Schule diente, wirkte Leunert 38 Jahre als Lehrer und seine Lehrtätigkeit ist gewiss eine segensreiche gewesen. Seine Einstellung zum Schulamt geht am besten aus einer Niederschrift, die er bei seiner Prüfung im Jahre 1826 an den Superindententen abgab, hervor. Er schreibt über die Pflichten eines christlichen Schullehrers das Folgende:

"Die wesentlichen Pflichten eines christlichen Schullehrers bestehen kürzlich darinnen, dass er sein Amt treu verwaltet, die ihm anvertraute Jugend in der Religion Jesu und anderen nützlichen Dingen gründlich und deutlich unterrichtet, zu der Schwachheit der Kinder sich herablässt, mit ihren Fehlern Geduld habe und ihnen dieselben mit der Liebe abzugewöhnen suche. Vorzüglich aber, dass er den Kindern ein böses Beispiel zu geben sich sorgfältig hüte, vielmehr in Leben und Wandel mit bestem Exempel ihnen vorangehe."