Die Schule von 1912

Oberlehrer Kupfer ging 1909 in den Ruhestand und zug in die Frohburger Gegend. Sein Nachfolger war Karl Preußler. Unter diesem Lehrer sowie unter dem Gemeindevorstand Emil Schüßler kam dann der Bau unserer jetzigen Schule zustande. Doch ehe es soweit kam, waren keine geringen Schwierigkeiten zu beheben. Zunächst galt es wegen der Reitzenhainer Kinder, die seit alters her in die hiesige Schule gingen, ein Abkommen bezüglich eines Kostenbeitrags mit der Gemeinde Taura zu treffen. Letzteren schien die geforderte Summe viel zu hoch. Nun wollte Köthensdorf die Reitzenhainer Kinder aus der hiesigen Schule verweisen. Dies wurde aber von der vorgesetzten Behörde vereitelt, so dass schließlich Taura in der Weise nachgab, indem es seinen Ortsteil im Jahre 1909 ganz an Köthensdorf abtrat. Nach dieser Regelung galt es, die Platzfrage zu lösen. Hierbei kam der Gutsbesitzer Robert Speck der Gemeinde entgegen, indem er für einen mäßigen Preis ein Stück Gutsareal von etwas über 5000 Quadratmeter als Baustelle abtrat, das ehemals zum aufgelösten Otto’schen Gut gehört hatte. Ein Stück des Kirchsteiges musste als Schulstraße ausgebaut werden. Den hierzu benötigten Landstreifen gab Speck der Gemeinde unentgeltlich. Der Bau des Schulhauses begann im zeitigen Frühjahr 1912 unter der Leitung des Architekten Beyer aus Chemnitz, von welchem auch der Entwurf stammte. Maurer- und Zimmererarbeiten lieferte der Baumeister Löwe aus Wittgensdorf. Während des Bauens verstarb der Architekt und die Leitung übernahm dessen Geschäftsnachfolger Schreiber. Alle übrigen Arbeiten lieferten hiesige sowie auch einige Handwerker der Nachbarorte. Der ganze Bau kam auf 100.000 Mark zu stehen. Aus Staatsmitteln gingen als Beihilfe 10.000 Mark zur Schule und 900 Mark zum erforderlichen Straßenbau ein. Die neue Schule wurde mit zahlreichen Schenkungen ausgestattet, die ein gutes Zeugnis für die Opferwilligkeit hiesiger sowie auch einiger auswertiger Personen ausstellen.

Spendenliste für die neue Schule:
  • Fabrikant Geithner Turmglocke mit Läuteeinrichtung
  • Schulvorstand und Gemeinderat Flaggenschmuck
  • Gemeindevorstand Schüßler bunte Kunstglasfenster im Treppenhaus
  • Tauraer Schulvorstand 1 Wanduhr und 1 Schreibtisch für das Lehrerzimmer
  • Dr. Hachenberger, Wittgensdorf 85,50 Mark zur freien Verfügung
  • Elektrisches Werk Oberlungwitz Beleuchtung für Korridore (im Wert von 50 Mark)
  • Architekt Schreiber, Chemnitz Modell zum Portal
  • Klempnermeister Scheer, Burgstädt 20 Mark
  • Buchbindermeister Lindner, Burgstädt 6 Tintenbehälter und 10 Wechselrahmen
  • Bonitz, Taura 5 naturgeschichtliche Tafeln
  • Uhrmacher Patzina, Taura 6 Thermometer
  • Tischlermeister Faulhaber, Taura Ruhebank im Baderaum
  • Klempnermeister Vogler, Taura geometrische Körper
  • Klempnermeister Schmalfuß, Taura 10 Mark
  • Uhlig, Chemnitz 5 Mark und Säge des Sägefuchses
  • Lehrerkollegium Köthensdorf 1 Bild
  • Strobel, Taura Schildpatt einer Schildkröte
  • Lehrer Stein, Zwickau 1 Bild
  • Schützengesellschaft Köthensdorf 1 Bild
  • Dachdeckermeister Häßler, Wittgensdorf 15 Mark
  • Malermeister Richter, Köthensdorf Fürstenzug als Wandgemälde
  • Ortsverein Köthensdorf 2 Ruhebänke
  • Gastwirt Gumlich, Köthensdorf 1 Minimum-Maximum-Thermometer
  • Fotograf Mäckel, Burgstädt 1 Bild der Schule
  • Rudolph, Köthensdorf 1 Schirmständer ins Lehrerzimmer
  • Müller, Köthensdorf naturgeschichtliche Anschauungsmittel
  • Oberlehrer Lungwitz, Oberlungwitz 1 Tischdecke
  • Irmscher, Köthensdorf 1 Flaggenstange
  • Geithner, Köthensdorf 1 Wasserflasche mit Glas
  • Schlossermeister Ackermann, Wittgensdorf 1 Kartenhalter
  • Geschwister Vollrath, Köthensdorf Schreibzeug
  • Frauenverein Köthensdorf Girlandenschmuck zur Schulweihe
  • Geldsammlung unter Ortseinwohnern 200 Mark

Der Klempnermeister Scheer aus Burgstädt führte die Dachklempnerarbeiten aus. Er errichtete auch auf dem Turm die Wetterfahne mit der Jahreszahl "1912". Am Mast der Wetterfahne befand sich eine hohle Blechkugel. Als Ende der 1960er Jahre ein Sturm den durchgerosteten Mast umbrach, fand man in der Kugel einige Erinnerungsstücke, so eine Zeitung aus diesen Tagen, Münzen und eine Liste mit den am Bau beteiligten Handwerkern, vor allem mit Angehörigen der Familie Scheer. Ein Sohn war zu dieser Zeit Lehrer in Köthensdorf. Er fiel im 1. Weltkrieg. Leider sind die wertvollen Zeugnisse der Vergangenheit bei den mehrfachen Wechseln in der Schulleitung nach 1976 verlorengegangen. Zum Schulfest 1972 waren sie noch ausgestellt.

Von Seiten der Gemeinde Köthensdorf-Reitzenhain lag die Leitung des Bauvorhabens in den Händen von Gemeindevorstand Emil Schüßler. Seiner Aktivität und seinem klugen Einsatz ist es zu verdanken, dass ein Schulgebäude entstand, das als Vorbild für eine Landschule der damaligen Zeit gelten konnte.

Die Schulhausweihe 1912

Am Montag, den 2. Dezember 1912, erfolgte die feierliche Weihe der neuen Schule. Die Festversammlung begab sich zunächst zum alten Schulhaus, um dort eine würdige Abschiedsfeier zu gegehen. Mit zu Herzen gehenden Worten hielt Lehrer Preußler die Abschiedsrede. Unter Glockengeläut und den Klängen des Burgstädter Stadtmusikchores bewegte sich der Zug der Teilnehmer dann zum neuen Schulgebäude. Nach dem feierlichen Gesange des Chorals "Lobe den Herren" hielt Bezirksschulinspektor Weidemüller die Weiherede und anschließend sprach Pfarrer Wermann das Weihegebet. Nun sang der Kinderchor "Auf der Andacht heiligem Flügel", dann begrüßte Gemeindevorstand Schüßler die erschienenen Gäste und alle übrigen Teilnehmer und verlas einige Notizen über die alten Schulhäuser. Auch die Spenderliste kam zur Verlesung. Anschließend sangen die Kinder "Preis und Anbetung sei unserem Gott". Jeder Festteilnehmer erhielt nun eine Postkarte mit Abbildungen dier vier Schulhäuser. Die Feier schloss mit dem allgemeinen Gesang "Wir haben dieses Haus gebaut".

Nachmittags um 2 Uhr fand im Gasthof die Festtafel und am Abend für alle Ortseinwohner Ausschank des Gemeindebieres statt. Fröhlicher Tanz hielt die Anwesenden bis nach Mitternacht zusammen.

Was bot das neue Schulhaus?

Das große, massive, im Landhausstil geschaffene Schulhaus mit einem schönen Uhrturm und einem künstlerisch gestalteten Portal enthielt vier Klassenzimmer. Das schien für das damals bestehende Landschulsystem ausreichend zu sein.

Die Schüler der acht Jahrgänge wurden in vier Klassen mit jeweils zwei benachbarten Jahrgängen unterrichtet. Das war gegenüber der damals noch häufig vorkommenden ein- oder zweiklassigen Dorfschule schon ein Fortschritt. An die Notwendigkeit, auch den Dorfkindern den Besuch einer vollausgebauten Volksschule zu ermöglichen, dachten damals auch fortschrittlich gesinnte Schulmänner nicht.

Neben den vier Klassenzimmern gab es im Kellergeschoss noch den sogenannten Kochschulraum. Hier erhielten die Mädchen der Volks- und Fortbildungsschule Unterricht im Kochen. Der Begriff "Kochschulraum" war sehr zählebig. Er wurde noch lange gebraucht, auch nachdem es längst keinen Unterricht im Kochen mehr gab. Dieser Raum und einige danebenliegende Räumlichkeiten waren in einem ersten Entwurf als Hausmeisterwohnung vorgesehen. Endgültig wurde der genannte Kochschulraum geschaffen, und in die Nebenräume, durch eine gesonderte Haustür erreichbar, baute man ein Wannenbad und Duschen ein, die über viele Jahrzehnte als Gemeindebad dienten. Die Hausmeisterwohnung erhielt ihren Platz wie die geräumige Wohnung des Schulleiters im Mansardengeschoss. Im ersten Stock waren zwei Räume als Hilfslehrerwohnung vorgesehen. Später dienten diese Räume als Direktor- und Verwaltungszimmer. Seit der Nutzung dieser Etage als Kindergarten befindet sich hier der Waschraum und ein Schlafraum für die Kleinen.

Bemerkenswert war die Wasserversorgung. Eine von einem Brunnen im Oberdorf über mehrere hundert  Meter führende Rohrleitung füllte drei im Erdgeschoss der Schule untergebrachte Wasserbassins mit natürlichem Druck. So gab es im Erdgeschoss und im Keller Wasser aus dem Hahn. Für den ersten und zweiten Stock musste das Wasser mittels einer Handpumpe nach oben gebracht werden. So konnten die in den Fluren eingebauten, schön gekachelten Wasserentnahmestellen nicht genutzt werden.